Caritas guter Hirte

Die Ecken und Kanten einer gesellschaftlichen Funktion

Der Gute Hirte beherbergt seit jeher eine bunte Herde unterschiedlicher „Schafe“. In seiner Form könnte man fast meinen, er ist städtischer Vierkanthof, der sein urbanes Feld geprägt hat – Vierkanthöfe, wie sie in Österreichs ländlichen Gegenden oft zu finden sind und die oft der Ausgangspunkt für Dorfentwicklung sind. Anstatt grüner Weiden, säumt diesen Hof allerdings das pulsierende Treiben der Stadt. Was ihnen gemeinsam ist: Sie fassen unterschiedliche Lebens- und Arbeitsformen unter einem Dach. Frühling, Sommer, Herbst und Winter des Jahres und des Lebens finden in diesen vier Kanten eine bauliche Abbildung. Die Aufgaben eines Vierkanthofes sind komponiert, wie Vivaldis Vier Jahreszeiten. Die Caritas möchte in der Neuausrichtung des Guten Hirten nicht mehr nach Lebensdekaden segmentieren, sondern sich die Frage stellen, was sind die Gründe, warum Menschen zum Guten Hirten künftig kommen – von Four Seasons zu Four Reasons.

Der klassische Vierkanter war der Inbegriff zusammengewachsener dörflicher Einheiten oder kirchlicher Klosterbauten. Das bedingte, die Unterschiedlichkeiten gut in einem Haus unterzubringen. Davon verstanden auch schon die Alten Römer etwas. Ihre Villa Rustica funktionierte nach dem gleichen Prinzip. Stallungen, Wirtschaftsbauten, Getreidekasten, Brunnenhütte, u.v.m. – alles auf einem Hof und bis heute auch in Gruppenhöfen zu sehen. Unterschiedliche Menschen unterschiedlichster Herkunft fanden hier Platz: von den italienischen Gastarbeitern der Westbahn bis zu den Gutsherren mit all seinen Generationen.

Die Überlagerung unterschiedlicher Generationen und Professionen hat die Ökologie des Hauses geprägt. Ökologie meint in diesem Sinne nicht den CO2-Abdruck oder den biologischen geprägten Begriff. In diesem Kontext meint es vielmehr das fruchtbare und ausbalancierte Miteinander, das ein funktionierendes System ausmacht. Menschen in unterschiedlichsten Lebensabschnitten befruchteten einander, lernten voneinander, halfen einander. Wie es im Lauf der Geschichte immer so ist, kehrte auch irgendwann dieser Trend und die Gesellschaft segregierte sich zunehmend. Die Jungen sind in die Stadt gezogen, besondere Bedürfnisse wurden in besonderen Einrichtungen versorgt und Seniorenzentren gaben der ältesten Generation ein zuhause. Die Ökologie driftete in ihren Komponenten auseinander, hinein in die Spezialisierung – was viel Gutes mit sich brachte! Doch was auf der Strecke blieb, steht zwischen den Zeilen.

Haftet der Digitalisierung oft der Vorwurf an, an allem Schuld zu sein, so birgt sie doch vielmehr das Potential in sich, aus den Pixeln wieder ein Gesamtbild zu kreieren. Gleichzeitig wissen wir: Je digitaler unsere Welt wird, desto eher benötigen wir wieder „echte“ Räume und Begegnungen. Was die Haptik im Material ist, ist der unverstellte Blickkontakt im Erleben. Daher ist es in der Immobilienentwicklung ausschlaggebend nicht nur in Euro pro m2 zu denken, sondern auch die Besonderheiten des gesellschaftlichen Miteinanders zu integrieren. Diese Rechnung bringt wieder neue Benefits mit sich, die besonders die Caritas im Stande ist zu leisten.

Was heißt das nun auf den Guten Hirten umgemünzt?

Spezialisierung macht Sinn, Segregierung nur bedingt. Der Gute Hirte fängt die Pixel seiner Herde wieder zusammen, damit sie im Netzwerk-Verbund wieder eine Big Picture ergeben. Unter dem Dach der Caritas finden sich Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Hintergrunds ein: Studierende aus der ganzen Welt, Menschen mit Beeinträchtigung, Generation silver, Familien in Not, Menschen auf der Flucht… Sie knüpfen den Zusammenhalt und die Community in dem Haus, das die unterschiedlichsten Biografien erzählen kann. Das bedeutet auch, dass die Durchmischung keine Zäune der Schafsherden kennt, was im Falle von solchen Gebäuden oft Trakte, Türme oder Gänge sind. In diesem Haus wird das Stigma des Gebäudeteils aufgehoben. Niemand soll die persönlichen Probleme eines Menschen anhand seiner Zimmernummer erkennen. Der BewohnerInnen-Mix berücksichtigt die positiven Einflüsse von Menschen unterschiedlicher Biografien und Lebensabschnitte. Die Erfahrung wird geschätzt, der jugendliche Perspektive gerne angenommen. Kunterbunt also im Sinne gesellschaftlicher Vielfalt aber nicht im Sinne der Ganzheitlichkeit – das weiß auch Pipi Langstrumpf. Das Zusammenleben findet außerdem die Balance aus Privatheit und Gesellschaft. Wer eine durchbeutelte Geschichte mitbringt, sucht die Ruhe. Wer vor Vereinsamung flieht, sucht die Geselligkeit. Das Konzept der Teilhabe wird dort angewandt, wo es Sinn macht. In dieser Art der Umsetzung können auch Fälle aufgefangen werden, die in Heimen fehluntergebracht sind. Und auch Fälle, für die durch die Unterbringung, etwa in einer Notschlafstelle, eine sehr herbe Kerbe entstehen könnte, die sie ohnehin schon durch ihre Notsituation mitbringen. Sie werden nicht durch ihre Not aus der Gesellschaft gedrängt und können ohne Stigmatisierung wieder teilhaben, wenn sie soweit sind.

Das Reklameschild

Die Caritas kann Menschen in allen Dekaden eines Lebens begleiten. In der Kunst und der Musik wird oft die Metapher der vier Jahreszeiten dafür verwendet. Sogar eine Hotelkette wirbt mit dem Namen Four Seasons. Im Guten Hirten die Segmentierung nach Lebensdekaden vorzunehmen, widerstrebt dem Konzept. Viel eher soll es darum gehen, dass sich Menschen mit einem ähnlichen Mindset dort treffen, begegnen und kennenlernen. Gleichzeitig soll Menschen in speziellen Situationen oder Umständen eine positive Lebenssituation geboten werden. Es geht also nicht um die „Season“, wegen der man in das Gebäude kommt, es geht um die „Reason“. Daher wird der alteingesessene Aspekt aufgegriffen, auch dessen Bekanntheit genutzt und neu interpretiert. Somit prangt auf dem metaphorischen Reklameschild nicht „Four Seasons“ sondern „Caritas Four Reasons“. Dieses Wording und Verständnis zieht sich im gesamten Haus durch – von Spielereien auf der Speisekarte bis zu den Kommunikationskanälen.

Ein Clusterung der Four Reasons könnte folgendermaßen aussehen:

  • Wohnen
  • Freizeit / Hobby / Gesellschaft / Gemeinschaft / Begegnung
  • Begleitung / Betreuung / Beratung
  • Not

Hier heißt Nachbarschaft Community und diese formiert sich entlang dieser Bedürfnisbefriedigung. Der Community-Manager und Kümmerer ist die zentrale Position im diesem Haus. Sie sind diejenigen, die die MieterInnen zusammenholen, Veranstaltungen konzipieren, Bedürfnisse abfragen und aufspüren, Missstände bemerken und Lösungen finden. Sie sind auch das „Medienzentrum“ – im übertragenen Sinn. An ihnen liegt es auch, die Balance aus dem Zusammenleben im Four Reasons zu finden und das Gespür dafür zu entwickeln.

Der gedachte Vierkanthof muss wieder eine vitale Funktion einnehmen – für ein ganzes Viertel. Da CMb.industries in die Entwicklung des Areals rund um das Kapuzinerkloster involviert ist, wird die Empfehlung gegeben, hier den Dialog zu suchen. Damit kann die Ökologie noch weiter aufgespannt und das „Caritas Four Reasons“ ein prägender Pulsgeber des ganzen Grätzls werden.

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